Von: Martina Kastner Wie schon beim Bayernligakampf der Wacker-Ringer gegen den TV Traunstein am 20. September 2008 standen sich auch am Donnerstag, den 3. September 2009 Christoph Zauner und Viorel I. gegenüber. Diesmal allerdings nicht auf der Matte, sondern vor dem Altöttinger Amtsgericht. Im September vergangenen Jahres hatte I. dem damals noch 97 kg schweren Christoph Zauner im Schwergewichtskampf laut Aussage des Geschädigten „das Ellenbogengelenk durchgedroschen“. Zauner trug unter anderem mehrere Bänder- und Muskelfaserrisse sowie eine Knorpelfraktur am seitlichen Ellenbogen davon. ![]() Christoph Zauner fieberte auch während seiner Verletzungszeit am Mattenrand mit seinen Mannschaftskollegen mit. Sechs Wochen lang war Zauner daraufhin krankgeschrieben, trug anfangs einen Gips und anschließend drei Monate lang eine bewegliche Schiene. Noch heute muss er zwei- bis dreimal wöchentlich zur Physiotherapie. Sein Physiotherapeut Engelbert Fuchs, der wie Zauner als Zeuge geladen war, sprach von einem Langzeitschaden.
Zauner stellte nach dem Vorfall Strafanzeige wegen Körperverletzung. Knapp ein Jahr später wurde der Fall nun vor dem Altöttinger Amtsgericht verhandelt. Nach dem etwas verspäteten Eintreffen des Angeklagten sowie der Aufnahme der Personenstandsdaten konnte die Verhandlung beginnen. Zunächst erörterte die Richterin - welche zugab noch nie einen den Ringsport betreffenden Fall bearbeitet zu haben - allgemeine Informationen über den Ringsport, die sie im Internet recherchiert hatte. Anschließend erhielt der 39-jährige Angeklagte das Wort. Er sei seit 30 Jahren Ringer und habe dabei schon 16 oder 17 Knochenbrüche erlitten. Am Ellenbogen habe er gar „eine ähnliche Verletzung wie Herr Zauner“.
In dem Bayerligakampf sei es laut I. „praktisch um nichts gegangen“. Nachdem er die erste Runde verloren hatte, sicherte er sich die Kampfabschnitte 2 und 3. Runde vier ging wieder an Zauner. Vor der alles entscheidenden fünften Runde machten die beiden Ringer, wie unter Sportlern üblich ein „Shake-Hands“. I. behauptete vor Gericht, die beiden haben sich damals gar „zu einem guten Kampf gratuliert“.
In der fünften Runde habe der Schiedsrichter ihm dann angezeigt, dass er der passivere Ringer ist. Daher schubste er Zauner und „ging mit der Schulter nach vorne“, damit er über ihn „stolperte“. Wie die Verletzung passiert ist, wisse er nicht. Auf die Frage der Richterin, wie dieser „Wurf“ denn heiße, antwortete Herr I., dass sei der „Schulterwurf“. – Eine Aussage die im Zuschauerraum für lautes Raunen sorgte.
„Ich konnte nichts kontrollieren. Herr Zauner hat den Arm in der falschen Sekunde herausgezogen.“, beteuerte der Angeklagte. Die Frage, ob er von ähnlichen Verletzungen früherer Gegner wisse, verneinte der in München wohnhafte Ringer. „Erst durch die Akten“ habe er davon erfahren. In denen befanden sich mehrere Aussagen von Ringern, denen es ähnlich wie Christoph Zauner ergangen war. Als zusätzliches Beweismittel wurde anschließend eine Videoaufnahme des Kampfes herangezogen, bei dem die Aktion relativ gut zu sehen war. Nach dem Betrachten des Videos wurde Christoph Zauner in den Zeugenstand gerufen. Auch er musste die Geschehnisse schildern.
„In der fünften Runde habe ich ihn aufgezogen, das heißt ich hatte ihn in der Kopfklammer.“, beschrieb Zauner die Situation. „Dann hat mir I. den Ellenbogen im 90° Winkel nach hinten gebogen. Er hat mit aller Gewalt gegen das Gelenk geschlagen.“, fuhr Zauner fort. „Ich habe nur noch gemerkt wie der Arm nachgibt und ihn dann völlig unnormal wegstehen sehen. Von da an habe ich nichts mehr mitbekommen.“, erklärt der Geschädigte, der damals natürlich unter Schock stand.
Seither ist ein komplettes Durchstrecken des Armes unmöglich. Seine mit etlichen Titeln geschmückte Ringerkarriere fand dadurch ein jähes Ende und auch im Alltag ist Zauner eingeschränkt – von den Schmerzen bei bestimmten Bewegungen ganz zu Schweigen. Auf die Frage der Richterin, ob solche Verletzungen im Ringsport denn üblich seien, antwortete Zauner: „Wenn solche Verletzungen üblich wären, hätte ich wohl nicht 26 Jahre lang gerungen.“
„Im Ringsport sind Griffe und Hebel gegen die Gelenkrichtung komplett verboten.“, gab auch der Rechtssausschussvorsitzende des Bayerischen Ringerverbandes (BRV), Herr Heindl im Anschluss nochmals zu Protokoll. Heindl hatte den Fall bereits aufgrund der Beschwerde wegen grober Unsportlichkeit, die der SV Wacker eingereicht hatte, behandelt. Bis 31.12. 2008 wurde I. daraufhin vom BRV gesperrt. Zusätzlich erhielt er eine Geldstrafe Der gewünschte Ausschluss aus dem Verband konnte damals aufgrund eines Formfehlers nicht erfolgen. „Ein einzelner Ringer ist nicht Mitglied des BRV, sondern nur der Verein. Daher konnte auch kein Einzelner ausgeschlossen werden.“, erklärte der Rechtsausschussvorsitzende des BRV, Walter Heindl vor Gericht. Nach einer bereits vollzogenen Satzungsänderung soll die lebenslange Sperre des gebürtigen Rumänen nun aber erfolgen.
Nachdem auch Zauners Physiotherapeut Herr Fuchs im Zeugenstand war und die Aussage des Schiedsrichters Herrn Konrad R., der aufgrund eines Wettkampfes nicht persönlich anwesend sein konnte, vorgelesen wurde, erhielt der Staatsanwalt das Wort. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass es sich um eine „vorsätzliche Körperverletzung“ handelt. Herrn I. hätte nach 30 Jahren Ringsporterfahrung bewusst sein müssen, welche Folgen seine Aktion – bei der es sich um keinen anerkannten Griff handelt – bewirkt. Er hat die Gesundheit seines Gegners aufs Spiel gesetzt. Für den Angeklagten sprach, dass er den äußeren Tatbestand eingeräumt hat. Seine Vorstrafe – ebenfalls Körperverletzung, allerdings im Privatbereich – sowie die Schwere und die Folgen der Verletzung bei Herrn Zauner sprachen gegen ihn. Als Motiv nannte der Staatsanwalt das Duell zweier ambitionierter Mannschaften und die Tatsache, dass sich der Vorfall in der entscheidenden fünften Kampfrunde abspielte. Nach dem Plädoyer des Staatsanwalts, tat der Verteidiger seine Meinung kund. Seiner Ansicht nach begründe eine Regelwidrigkeit nicht den Verletzungsvorsatz. Er plädierte auf Freispruch seines Mandanten.
Vor der Urteilsverkündung erhielt der Angeklagte das letzte Wort. Er sei „seelisch fertig gemacht und von allen Seiten gehetzt“ worden. „Ich kann nicht mal mehr als Zuschauer zu einem Ringkampf gehen.“, schilderte der dreifache Familienvater seine Situation. Was an diesem Abend passiert ist, täte ihm „sehr, sehr leid für Herrn Zauner.“ Am Ende der rund zweieinhalbstündigen Verhandlung verkündete die Richterin folgendes Urteil: Herrn I. konnte die vorgeworfene vorsätzliche Körperverletzung nachgewiesen werden. Aufgrund der finanziellen Lage des derzeit arbeitslosen Angeklagten hielt die Richterin 90 Tagessätze zu je 15 Euro für angemessen. Zudem trägt der Angeklagte die Kosten des Verfahrens.
Zauner selbst war nach der Urteilsverkündung erleichtert: „Endlich erhält I. seine gerechte Strafe!“ Die zivilrechtliche Klage auf Schmerzensgeld wird auch noch folgen. Links: Verwandte News: Dateien: |
<- zurück zur News-Übersicht