Von: Roman Hölzl Manch Krimiautor hätte kein dramatischeres Drehbuch aufsetzen können, was die Zuschauer in der restlos ausverkauften Sportparkhalle beim Halbfinalkampf zwischen dem SV Wacker Burghausen und dem ASV Schorndorf erlebten. Am Ende war alles mit dabei: Fulminante Siege, bittere Niederlagen und sehr diskutable Entscheidungen des Kampfgerichts, die einen großen Gesprächsbedarf bei allen Ringerfans hervorgerufen haben. Am Ende stand ein 16:15 Heimsieg für den amtierenden Deutschen Mannschaftsmeister zu Buche, der sich nach einer in allen Belangen unzufriedenstellenden zweiten Halbzeit mehr nach einer Niederlage als nach einem Heimsieg anfühlte. Schon vor Kampfbeginn war enorm viel Druck im Kessel. Dies zeigte sich schon im Rahmen des verzögerten Aufmarschs der Gästemannschaft. Im Anschluss starteten die Burghauser Verantwortlichen ohne Rücksicht mit dem Einmarsch, was bei den verdutzten Gästen kurz für Verwirrung sorgte. Auch im weiteren Verlauf überstrapazierte ein Verantwortlicher der Gäste die Burghauser Gastfreundschaft, da er es partout nicht für notwendig erachtete, den Aufforderungen der Burghauser Ordner nachzukommen und in die blaue Ecke zurückzukehren. Schlussendlich wurde er von einem Ordner aus dem Heimbereich entfernt. Auch auf der Matte ging es heiß her. In der Klasse bis 61kg Freistil setzte Burghausens Trainer Eugen Ponomartschuk erneut auf den bisher ungeschlagenen Olympia-Dritten Gulomjon Abdullaev. Dieser traf wie schon in der Vorrunde auf Burak Demir, der gegen den Usbeken in Burghauser Diensten kein Land sah. Nach rund viereinhalb Minuten stand Abdullaev Überlegenheitssieg fest - die ersten vier Punkte wanderten damit aufs Burghauser Konto. Doch schon im nächsten Kampf gelang den Gästen der Ausgleich. Gegen den über 27kg schwereren deutschen Olympiateilnehmer Jello Krahmer fand Ramsin Azizsir dieses Mal keine Mittel - mit 0:16 unterlag der Burghauser kurz vor dem Kampfende vorzeitig. Trotz der Überlegenheit Krahmers gab es bereits in diesem Kampf einige Entscheidungen des Kampfgereichts gegen den Burghauser, die gemäß den gültigen Regeln überhaupt nicht nachvollziehbar waren. Anschließend folgte aus Burghauser Sicht eins der Highlights des Abends: Im Greco-Kampf der 66kg Klasse trafen Witalis Lazovski und Georgios Scarpello aufeinander. Obwohl Lazovski wieder viel Gewicht machen musste, um das Gewichtslimit zu erreichen, dominierte er den Kampf nach Belieben und scheuchte seinen überforderten Gegner quer über die Matte. Die Punkte sammelte er hingegen im Bodenkampf: bereits in der ersten Runde gelang dem Wackerianer ein sehenswerter Ausheber, in der zweiten Runde ließ er nochmals zwei Würfe folgen. Doch beim letzten Wurf fiel Scarpello – der mit Sicherheit unabsichtlich und im Eifer des Gefechts - seine Füße hinter den im Wurf befindlichen Burghauser brachte, mit dem Hinterkopf auf das Gesicht seines Gegners der unkontrolliert zu Boden stürzte. Scarpello zog sich eine Platzwunde am Hinterkopf zu, den stark blutenden Lazovski, der noch seinen technischen Überlegenheitssieg feiern konnte, erwischte es ungleich schwerer. Für ihn ging es anschließend auf direktem Wege ins Krankenhaus. Dort wurde ein Trümmerbruch der Nase diagnostiziert wurde. Damit steht fest, dass der Burghauser Punktegarant für den Rest der Saison ausfallen wird, zumal er in den nächsten Tagen operativ behandelt werden muss. An einen weiteren Einsatz auf der Matte ist somit nicht zu denken, ein herber Verlust für die Mannschaft. Ein Duell auf Augenhöhe entwickelte sich in der Klasse bis 98kg Freistil, in der einmal mehr Erik Thiele und Ertugrul Agca die Klingen kreuzten. Nachdem der Schorndorfer schnell mit 0:2 in Führung gegangen war, gelang Thiele in der zweiten Runde des sehr taktisch geprägten Kampfs noch der 2:2 Ausgleich, der am Ende den Sieg für Thiele bedeutete, der bereits vor Kampfbeginn zu seiner Auszeichnung als Deutschlands Ringer des Jahres geehrt wurde. Im letzten Kampf vor der Pause zeigte Burghausens Weltmeister Iszmail Muszukajev einmal mehr seine beeindruckenden Freistil-Fähigkeiten. In der Neuauflage des Kampfs gegen Schorndorfs Dawid Wolny setzte sich der Ungar souverän und ungefährdet durch seine unfassbar schnellen Beinangriffe mit 10:0 durch und brachten den SVW damit zur Halbzeit mit 12:4 in Front. Doch was anschließend folgte, war mit Worten kaum zu beschreiben. In der Klasse bis 86kg Greco traf Burghausens Roland Schwarz erneut auf Schorndorfs Weltmeister Akzhol Makhmudov. Da dieser im Stand wesentlich aktiver war, wurde dem Kirgisen im Bodenkampf die Oberlage zugesprochen. Schwarz verteidigte sich bravourös gegen Makhmudov, bis dieser zu einem Ausheber ansetzte. Doch Schwarz brachte seinen Gegner aus dem Gleichgewicht und setzte selbst zu einem Wurf an und brachte seinen Gegner in die gefährliche Lage - vier Punkte wanderten auf sein Konto. Doch nach dem Videobeweis änderte das Kampfgericht seine Meinung und bestrafte Schwarz, der bei seiner erfolgreichen Defensivarbeit angeblich die Beine einsetzte - eine Ansicht, die in der tobenden Sportparkhalle keinesfalls so gesehen wurde. Auch im weiteren Kampfverlauf sah sich Schwarz, trotz einem völlig normalen Kampfverlaufs, immer wieder mit ständigen Ermahnungen der Kampfrichterin konfrontiert, was dem Burghauser berechtigterweise sichtlich die Zornesröte ins Gesicht trieb. Angestachelt vom frenetischen Publikum gelang ihm in der zweiten Runde noch selbst ein Ausheber, bei dem sein Gegner ebenfalls klar ersichtlich regelwidrig Beinarbeit betrieb - dieses Mal jedoch ohne Sanktionen des Kampfgerichts. Am Ende musste sich Schwarz seinem Gegner mit 3:9 geschlagen geben, wodurch zwei Punkte aufs Konto der Gäste flossen. In der Klasse bis 75kg sah sich Burghausens Greco-Spezialist Michael Widmayer mit Schorndorfs französischem Weltmeister Ibrahim Ghanem konfrontiert. Gegen Ghanem fand sich Widmayer von der ersten bis zur letzten Minute in der Defensive wieder und kassierte gegen den überraschend offensiv ausgerichteten Franzosen Wertung um Wertung. Nur durch Widmayers Kämpferherz gelang es ihm, eine vorzeitige Niederlage zu verhindern, sodass am Ende beim Stand von 1:14 nur drei Punkte aufs Schorndorfer Konto wanderten. In der Klasse bis 80kg Freistil kam es anschließend zu einem weiteren Aufreger: Nicht von den Sportlern, vielmehr in Persona von Mattenpräsident Karl-Peter Schmitt. Während sich Zelimkhan Khadjiev und Murad Kuramagomedov auf der Matte einen Freistilkampf auf internationalem Spitzenniveau lieferten, rückte das Geschehen auf der Matte zum Halbzeitpfiff in den Hintergrund. Kurz vor Abpfiff entledigte sich Kuramagomedov seines Burghauser Gegners aus Sicht der Trainer regelwidrig, wodurch Eugen Ponomartschuk den Videobeweis forderte. Diesen nahm Zelimkhan Khadjiev jedoch nach sofortiger Abstimmung nicht an, sodass der Burghauser Trainer den Würfel zurücknahm und Kampfrichterin Ramona Scherer entsprechend informierte. Doch dies hinderte Mattenpräsident Karl-Peter Schmitt nicht, die sog. Challenge trotzdem durchzuführen, diese für Burghausen negativ zu entscheiden und dem Schorndorfer einen Strafpunkt zuzusprechen. Und dies, obwohl Kampfrichterin Ramona Scherer ihren Mattenpräsidenten mehrfach darauf hinwies, dass der Burghauser Sportler die Challenge nicht bestätigt habe und der rote Würfel sich immer noch in der Burghauser Ecke befand. Khadjiev unterlag seinem Gegner mit 2:5, sodass Schorndorf zwei weitere wichtige Punkte erhielt. Bei einem 2:4 - dem eigentlichen Ausgang des Kampfs - wäre hingegen nur ein Punkt aufs Schorndorfer Konto gegangen. Noch am Kampfabend selbst legten die Burghauser Verantwortlichen gegen die Wertung dieses Ergebnisses Protest ein, was im Kampfprotokoll auch entsprechend vermerkt wurde. Somit schmolz der Burghauser Vorsprung auf 12:11. Doch SVW-Neuzugang David Baev riss im Anschluss das Burghauser Publikum mit einem sagenhaften Überlegenheitssieg gegen Shamil Ustaev förmlich von den Sitzen. Durch schnelle Beinangriffe und am Ende durch eine Serie von Beinschrauben punktete Baev seinen konsternierten Gegner vorzeitig aus. Im letzten Kampf hatten die Gäste mit dem Türken Ahmet Yilmaz noch ein Ass im Ärmel, gegen das Idris Ibaev an diesem Abend kein Mittel fand. Gegen den körperlich starken Yilmaz kassierte Ibaev in der Bodenlage zu viele Wertungen, sodass der Schorndorfer kurz nach Beginn der zweiten Runde die Matte als vorzeitiger Sieger verließ. Damit lautete der Endstand des ersten Halbfinalkampfs 16:15 - ein Sieg, der auf Grund der Geschehnisse in der zweiten Halbzeit einer Niederlage gleichkam. Vor allem in Folge der schweren Verletzung von Witalis Lazovski gilt Schorndorf nun als glasklarer Favorit für den Einzug ins Finale. Im Anschluss an den Kampf veröffentlichten die Burghauser Verantwortlichen ein kurzes Statement: "Wir haben den erwartet schweren Kampfabend erlebt, unsere Mannschaft hat alles gegeben. Unsere Fans haben in der Halle richtig Stimmung gemacht und unsere Sportler bis zum Limit gepuscht. Auch unserem Gegner von ASV Schorndorf muss an dieser Stelle Respekt gezollt werden - ihre Sportler haben an diesem denkwürdigen Kampfabend alles gegeben und hervorragenden Ringkampfsport geboten. In Summe: Von beiden Mannschaften ein wirklich würdiges Halbfinale. Mit den Entscheidungen des Kampfgerichts konnte jedoch an diesem Abend nicht nur die Burghauser Seite, sondern auch jeder neutrale Ringerfan nicht einverstanden sein. Ein dreiköpfiges Kampfgericht überzeugt in einem solch hochkarätigen Kampf normalerweise durch Neutralität und Unauffälligkeit. Das war am Samstag beileibe nicht der Fall. So wurde beispielsweise bei identischen Szenen – ein Ringer wurde nach einer Mattenflucht mit einer Verwarnung bestraft - in den Kämpfen bis 98kg und 130kg unterschiedlich geurteilt. In der 130kg-Klasse wurde der Burghauser Sportler anschließend in die Bodenlage geschickt und verlor schlussendlich den Kampf vorzeitig, während der Schorndorfer Sportler in der 98kg-Klasse im Stand weiterkämpfen durfte. Die Entscheidungen in den Klassen bis 86kg Greco und 80kg Freistilkampf wurden bereits hinreichend beschrieben.
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